Erkrankung der harnableitenden Organe (FLUTD) – April 2004

Kater Miro

Der kleine 6-jährige kastrierte Kater „Miro“ hat große Probleme, er ist extrem unruhig, sucht immer wieder das Katzenklo auf, maunzt laut, beleckt sich intensiv den Penis, tippelt in immer kürzeren Abständen aufs Klo, setzt dabei aber keinen Urin ab. Frau Weigand, sein Frauchen , ist besorgt und sucht uns noch am späten Abend im Notdienst auf. Glück für den kleinen Miro, denn sein Zustand ist lebensbedrohlich. Er hat einen totalen Verschluß der Harnröhre mit „Harngries“, es geht kein einziges Tröpfchen mehr durch. Der Bauch ist schmerzhaft gespannt und hart, er will sich nicht anfassen lassen.

Im sofort angefertigtem Röntgenbild, sieht man, dass seine Blase massivst gefüllt ist. Die gleichzeitig durchgeführte Blutuntersuchung zeigt uns genauer seinen kritischen Zustand: durch den Rückstau des Harns hat er eine postrenale Azotämie entwickelt, d.h., der Harnstoff im Blut ist massiv erhöht. Da der Harnstau schon länger besteht, ist auch schon die Niere in ihrer Funktion beeinträchtigt, der gemessene Creatininwert ist schon im kritischen Bereich. Wir wissen, dass in kritischen Situationen die Nierenwerte sich sehr schnell dramatisch verändern können, Die Niere ist ein sehr labiles Organ und wird sehr schnell lebensbedrohlich geschädigt, erfüllt sie ihre Filterfunktion nicht mehr, muß der Patient sterben. Nun ist schnelles Handeln angesagt. Der kleine Miro wird stationär aufgenommen und noch in derselbigen Nacht behandelt. Er wird sofort eine Infusion gelegt, um das Blut von den Giftstoffen, die eigentlich über die Niere ausgeschieden werden müssen, zu reinigen. Durch den Venenkatheter erhält er das Narkosemittel, da nur unter Sedation die Obstruktion der Harnröhre behoben werden kann. Das geschieht genauso wie beim Menschen, nur daß wir es mit einer winzigen Harnröhre zu tun haben, in die ein sehr kleiner Kathether geschoben wird.

 

Harnkatheter

Harnkatheter im Größenvergleich

Das ist bei Miro sehr schwierig, da seine Harnröhre komplett mit Harngries verstopft und der Penis durch das beständige Lecken ganz verschwollen ist. Da die Blase extrem gefüllt ist und bereits ein Rückstau über die Harnleiter in die Nierenbecken vorliegt, muß als erstes die Blase punktiert werden, um den Harn abzulassen, damit die Blase nicht rupturiert.

Frau Dr. Rummel leistet im wahrsten Sinne des Wortes Millimeterarbeit: Millimeter für Millimeter wird die Harnröhre mit steriler Kochsalzlösung freigespült und der Katheter millimeterweise bis in die Blase vorgeschoben. Es dauert eine halbe Stunde bis der Gries herausgespült ist und der Katheter in der Blase liegt.

Angenähter Katheter

Der Katheter ist angenäht für weitere Spülungen

 

Angenähter Katheter

 

 

Nachdem die Harnröhre freigespült ist, wird der Katheter festgenäht, und Miro kann auf der Station unter der Wärmelampe seine Narkose ausschlafen. Der aufgefangene Harn wird sofort unter dem Mikroskop untersucht. Es sind Struvitkristalle, die seine Beschwerden ausgelöst haben. Damit hat Miro eine günstige Prognose, denn Struvitsteine sind übers Futter behandelbar. Er wird ein Diätfuttermittel fressen müssen, das den Urin sauer macht. In diesem sauren Urin lösen sich dann die wieder Kristalle auf. Außerdem wird der Harn von Miro über einen längeren Zeitraum auf Harnkristalle untersucht werden müssen. Am nächsten Tag ist Miro schon munterer. Ihm geht es sichtlich besser. Jetzt wird seine Blase täglich mehrfach gespült. Miro hat Glück: die erneuten Blutkontrollen zeigen, dass seine Nieren ihre Arbeit wieder aufgenommen haben: die Creatinin- und Harnstoffkonzentration im Blut sinkt ab, und am zweiten Tag haben wir Normalwerte erreicht. Miro ist noch rechtzeitig behandelt worden. Es ist uns gelungen, seine Krise abzufangen. Miro wird noch einen weiteren Tag lang gespült, bis sich im Harn kein Gries mehr zeigt. Nun entfernt Frau Dr. Rummel den Katheter. Das kann ohne Narkose passieren, er erhält übers Blut ein Schmerzmittel, auf dass er gar nicht merkt, wie der Katheter aus der Harnröhre herausgezogen wird. Miro bleibt noch einen Tag bei uns auf der Station, damit wir sicher sind, dass er nun selbstständig Urin absetzen kann. Es klappt auf Anhieb, Miro benutzt sein Katzenklo und setzt eine große Menge Harn im Strahl ab. Es ist geschafft: Miro darf nach Hause!

 

Frau Weigand und Miro

Am Abend wissen wir nicht, wer glücklicher ist: Miro, weil Frauchen ihn abholt, oder Frau Weigand, weil es noch einmal gut ausgegangen ist.

 

Siehe auch: Wissenswertes -> Krankheiten: FLUTD: Erkrankung der harnableitenden Organe bei der Katze