Gebärmutterentzündung – August 2002

 

Jetzt kann Herr Wagner wieder lachen
Freitag nachmittag, der 27.7. 02: Die Sprechstunde hat wie immer um 15.00 Uhr begonnen, die ersten Patienten sind behandelt und schon wieder auf dem Weg nach Hause. 15.45 Uhr, nun stellt Herr Wagner seine 9 jährige Schäferhündin
„Kessy“ vor: er wisse nicht so recht, was mit Kessy los sei, doch „irgendwie“ verhalte sie sich anders als sonst, den ganzen Tag habe sie geschlafen, wollte nicht mit seinem zweiten. Hund, dem Husky-Rüden „Bowa“ spielen, und den Napf habe sie auch nicht leer gefressen!
Gezielte Fragen bringen uns weiter. Kessy ist unkastriert und wird regelmäßig läufig, die letze Läufigkeit liegt 2 Monate zurück. Vermehrtes Trinken ist dem Besitzer nicht aufgefallen, da beide Hunde einen großen Eimer mit frischem Wasser im Hof stehen haben. Ja, wenn Herr Wagner genau überlegt, so ist ihm
aufgefallen, daß Kessy in den letzten Tagen häufiger an der Scheide geleckt hat, aber er habe dem keine Bedeutung beigemessen, da Kessy ein sehr sauberer Hund sei und sich häufig putzt.
Kessy wird gründlich untersucht: Temperatur normal, Schleimhäute normal, die Augen sind leicht gerötet, unauffälliges Sensorium: aufmerksam verfolgt sie der Untersuchung. Die Spekulumuntersuchung erhärtet den Verdacht: am Muttermund ist schmierig, blutiger Ausfluß erkennbar.
In unserem Labor wird eine sofortige Blutuntersuchung durchgeführt. Herr Wagner wartet bis zu dem Ergebnis besorgt im Wartezimmer. Nach 10 Minuten sind alle Laborergebnisse vorhanden: die Organwerte für Leber und Niere sind normal, doch die Leukozyten (weiße Blutzellen) , die eine Entzündung im Körper anzeigen, sind massiv erhöht. Es besteht akute Lebensgefahr für die Hündin und wir entscheiden uns für die sofortige Operation. In diesem Fall können wir auf weiterführende Untersuchungen verzichten. Kessy hat eine Gebärmutterentzündung, die sofort operativ entfernt werden muß. Wir sind uns sicher, und verzichten auf Röntgen – und Ultraschalldiagnostik, die eine bildliche Darstellung der Gebärmutter ermöglichen und bei unklaren Fällen zur weiteren Diagnoseabsicherung eingesetzt werden.
Herr Wagner wird über den kritischen Zustand von Kessy und die Operation aufgeklärt. Bei Kessy müssen die Eierstöcke und die Gebärmutter entfernt werden Ihr. werden sofort Schmerzmittel und Antibiotika verabreicht.
Die Sprechstunde wird weitergeführt und einige Termine werden umgelegt, während Sally, unsere Sprechstundenhilfe, die Operation vorbereitet: die Narkosemaschine wird angeschlossen, Herz -Sauerstoff- Puls -und Atemmonitor verkabelt, das Blutdruckmessgerät aufgestellt. Das Wärmekissen, auf dem der Patient während der Operation liegt, wird vorgeheizt. So wird vermieden, daß die Narkosepatienten während der Operation mit der Körpertemperatur absinken.
Eine halbe Stunde später ist das Team operationsbereit.
Kessy erhält eine leichte Narkose, auf daß der Tubus für die Narkosemaschine in die Luftröhre geschoben werden kann .Sie wird mit einen Venenverweilkatheter an eine Dauerinfusion angeschlossen, so daß während der Narkose der Blutdruck nicht absinkt und die ausreichende Durchspülung der Niere gesichert ist. (Eine Minderdurchspülung der Niere während der Narkose kann postoperativ zur Nierenisuffizienz führen!)
Das Operationsfeld (gesamter Unterbauch) wird freirasiert und desinfiziert, Kessy in den Operationsraum getragen und an die Narkose- und Überwachungsmaschinen angeschlossen. Zur gleichen Zeit macht sich das Operationsteam steril.
Nun ist es so weit: der Bauchraum wird eröffnet und die Gebärmutter vorgelagert. Wir sind erleichtert, daß wir uns zur sofortigen Operation entschlossen haben: Kessy hatte nicht mehr viel Zeit: ohne Operation hätte sie das Wochenende nicht überlebt: die Gebärmutter ist unterarmdick mit Eiter gefüllt (im Normalfall ist eine Gebärmutter kleinfingerdünn), das Gewebe schon angegriffen, leicht hätte sie platzen und der Eiter sich in die Bauchhöhle ergießen können. Kessy hat noch einmal Glück gehabt.
Nun beginnt die Routine: Sally überwacht und dokumentiert den Narkoseverlauf. Die Gebärmutter wird mitsamt der Eierstöcke entfernt, der Bauchraum wieder geschlossen.
Kessy erhält einen Bauchverband, damit sie sich nicht an der Wunde lecken kann. Als Kessy ihren Kopf hebt und versucht aufzustehen, wird Herr Wagner angerufen, daß er seinen Liebling wieder nach Hause holen kann.
Am nächsten Morgen erscheint Herr Wagner strahlend in der Praxis, Kessy hat die Strapazen und Schmerzen vergessen und folgt ihrem Herrchen in den Behandlungsraum. Sie erhält ihre Injektionen und eine erneute Infusion für den Kreislauf (immerhin ist sie in Menschenjahren eine ältere Dame von 74)
Wir alle sind glücklich, daß Kessy wieder wohlauf ist. Erst wenn in 10 Tagen die Fäden gezogen werden , kann sie mit ihrem Husky-freund wieder durch den Garten tollen.