Arthrose, Spondylose & Co.

Eines der größten Wunder der Evolution ist der Bewegungsapparat. Durch sehr enge, hoch komplizierte Verkettungen zahlreicher Körperteile miteinander sind die Tiere in der Lage, ihr eigenes Gewicht zu tragen und sich fortzubewegen.

Das Wohlbefinden unserer Vierbeiner steht in direkter Abhängigköeit von der Gesundheit, also dem normalen Funktionieren dieses Systems. Aber gerade wegen seiner hohen Komplexität – den feinen Vernetzungen zahlreicher Strukturen miteinander – ist der Bewegungsapparat sehr anfällig für Störungen. Kleinste Imbalancen haben große Folgen: Jede Störung führt unweigerlich zu Schmerzen und mindert die Lebensqualität unserer Vierbeiner. Unsere Tiere leiden – und das ein Leben lang. Leider gehören Störungen des Bewegungsapparates, also Knochen- und Gelenkerkrankungen, inzwischen zu den häufigsten Erkrankungen in der tierärztlichen Praxis. Statistisch gesehen leidet jeder 4. Hund an Arthrose in Hüfte, Knie, Schulter oder Ellbogen, wobei große Hunde viel häufiger als kleine Rassen erkranken. Bei den großen Hunden über 7 Jahre sind sogar 40 % von schmerzhaften Veränderungen der Gelenke betroffen.
Die Studien zu diesem Thema in der Katzenmedizin zeigen ähnlich aufrüttelnde Ergebnisse. 90 % der über 12 Jahre alten Katzen leiden an Gelenkerkrankungen, wobei die Hüftgelenksarthrose ähnlich wie beim Hund an erster Stelle steht. Oft werden für den Patientenbesitzer verwirrende Begriffe wie degenerative Gelenkerkrankung, (Osteo-) Arthrose (OA) oder Arthritis benutzt. Sie beschreiben alle die vielfältigen Veränderungen von Gelenkverschleiß, die letztendlich zu chronischen oder chronisch wiederkehrenden Schmerzen führen, die sich in Lahmheit, Einschränkung der Beweglichkeit, Gelenkverdickung, Steifigkeit und Verhaltensänderungen (insbesondere bei Katzen) manifestieren.
Die Bezeichnung degenerative Gelenkerkrankung (degenerative joint disease = DJD) wird für Veränderungen von Gelenken jeden Typs angewandt, während der Begriff Osteoarthrose sich nur auf die krankhaften Veränderungen der diarthrischen, synovialen Gelenke bezieht.

 

Arthrose

Wissenschaftlich wird Arthrose in eine primäre und sekundäre Form eingeteilt: Bei der sog. Primärarthrose liegen klinisch-diagnostisch nicht erkennbar molekular- und zellbiologische Störungen im Gelenkknorpel vor. Man spricht auch von einer idiopathischen Arthrose. Diese wird allerdings bei den Tieren eher selten benannt.
Für die sekundären Arthrosen werden definierte biomechanische Ursachen beschrieben. So können extreme, unphysiologische Kräfte (z.B. Fraktur), die auf ein normales Gelenk oder normale Kräfte, die auf ein pathologisch verändertes Gelenk einwirken, zu einer Osteoarthrose führen.
Das kann ein Trauma sein (Verstauchung), eine Gelenksinstabilität, wie sie häufig im Knie zu finden ist, eine Stufe im Ellbogengelenk, eine Fehlstellung der Gelenkenden zueinander, eine angeborene Malformation wie bei der Hüftgelenksdysplasie oder eine Knorpelabsplitterung (OCD) oder Malposition ganzer Gliedmaße (O-Beine).

Arthritis

Arthritis ist die schmerzhafte Form von Arthrose, die mit Entzündung einhergeht. Bevor wir auf verschiedene Gelenkkrankheiten und ihre Entstehung eingehen, möchte ich einige Grundlagen erklären.

Der gesunde Bewegungsapparat

Bewegung wird gesteuert durch das Zusammenspiel von Knochen, Muskeln, Sehnen und Bindegewebe, wobei die Gelenke die Garanten der Flexibilität sind. Jede Art von Störung in diesen Strukturen schränkt die Beweglichkeit der Tiere ein und ist letztendlich schmerzhaft. Am häufigsten sind die echten Gelenke von krankhaften Veränderungen betroffen. Das gesunde Gelenk besteht aus Gelenkkapsel, Gelenkschmiere (Synovia) und Gelenkknorpel, der die Knochenoberflächen umschließt. Der Knorpel dient als Stoßdämpfer zwischen den Knochenenden, um die Belastung bei der Bewegung aufzufangen. Er besteht im Groben aus einem Netz (Matrix) von elastischen, kollagenen Fasern, in dessen Zwischenräume sich Proteoglycane, Glycosaminglycane, Chondroitin (jene Substanzen, die sich im Grünlippenmuschelkalk befinden) und Wasser befinden. Bei der Belastung wird der Knorpel wie ein Schwamm zusammengedrückt. Komplizierte molekulare Mechanismen verhindern, dass der Schwamm gänzlich leergequetscht wird, die Knochenflächen berühren sich nie!
Bei der Entlastung saugt sich der „Schwamm“ sofort wieder voll und mit der Wasserbewegung werden wertvolle Nährstoffe fürs Gelenk eingebaut und Schlackenstoffe herausgespült. Nur durch die Balance von gleichmäßiger Belastung und Entlastung wird das Gelenk „gesund“ ernährt. So wird leicht verständlich, dass bloße Bewegungsminderung schwere Folgen für das Gelenk haben und warum die rechtzeitige Schmerzmittelgabe unabdingbar ist. Nur wenn ein gleichmäßiger Bewegungsfluss garantiert ist, kann das Gelenk gesund ernährt und folgenschwere Veränderungen verhindert werden. Die Kapsel ist hauptsächlich für die Stabilität des Gelenks zuständig und die Synovia dient der Schmierung des Gelenks. Sie bedeckt den Knorpel mit einem glatten Film, so dass die Flächen nicht aufeinander prallen können. Außerdem sind in der Kapsel Schmerzzellen eingebaut, die bei krankhaften Veränderungen sofort Alarm schlagen.

Das kranke Gelenk

Unabhängig von der Ursache reagiert das Gelenk auf einen Insult immer gleich. Zunächst verliert der Knorpel seine schüt- zende Pufferfunktion. Es entstehen zunächst winzig kleine Risse und Löcher in der Knorpeloberfläche, die sich immer weiter in die Tiefe ausdehnen. Der Knorpel verliert als erstes seine dynamischen Fähigkeiten, das Gelenk mit Nährstoffen zu versorgen und schädliche Schlackstoffe auszuspülen. Die Schadstoffe verbleiben im Gelenk und nun beginnt ein circulus vitiosus. Es beginnt direkt im Gelenk ein unaufhaltsamer Zerstörungsprozess, der allmählich auf alle Gelenkstrukturen übergreift. Diese Veränderungen treten sehr schnell – nur wenige Tage bis Wochen – nach der initialen Störung auf. Die Schlackstoffe bedingen eine Entzündung der Gelenkkapsel, diese verdickt und scheidet vermehrt Gelenkflüssigkeit aus, die allerdings von schlechter Qualität ist und die Entzündung weiter treibt. Das Gelenk füllt sich zunehmend mit Flüssigkeit und die Schmerzzellen schlagen Alarm. Nun wird das Gelenk geschont, das Tier beginnt zu lahmen. Parallel dazu wird der Knorpel immer dünner und kann dem Druck auf den Knochen nicht mehr standhalten. Nun wird der Knochen direkt angegriffen, er reagiert mit vermehrter Sklerotisierung und Osteophytenbildung (Auflagerungen am Knochen). Diese Veränderungen finden sich in den Bereichen von hoher mechanischer Krafteinwirkung. So finden wir z. B. beim Kreuzbandriss schnabelartige Randwulstbildungen im Bereich des Tibiaplateaus. Dies ist ein verzweifelter Versuch des Organismus, dem unnatürlichen Druck standzuhalten und das Gelenk zu stabilisieren – allerdings erfolglos. Die Zerstörung der Knor- pelschutzschicht schreitet unaufhaltsam fort, es kommt zu tiefen Verletzungen, den sog. Eburnifikationen, jetzt reibt Knochen auf Knochen – ein hoch schmerzhafter Zustand. Das Gelenk ist bleibend arthrotisch geschädigt, eine Rückentwicklung ist nicht mehr möglich.

Leitsymptom der OA ist Schmerz

Unsere Tiere sind nun chronisch krank. Für alle Tierarten ist der Schmerz das quälendste Symptom, allerdings wird er unterschiedlich von Tier zu Tier signalisiert. Das Kaninchen bewegt sich kaum noch und frisst schlecht, Verdauungsstörungen treten auf. Der Hund lahmt mehr oder weniger deutlich, ist unlustiger auf Spaziergängen, es zieht ihn schneller nach Hause als aufs Feld hinaus, er meidet das Springen, das Treppensteigen wirkt steifer. Die Katze reduziert nahezu unauffällig ihre Aktivität, sucht niedrigere Sitzplätze, schläft mehr, nimmt weniger am alltäglichen Trubel teil und kann deutlich an Gewicht zulegen.

Degenerative Erkrankungen bei Hund und Katze

Ellbogendysplasie (ED)

Bei jungen Hunden mittelgroßer bis großer Rassen ist die ED die häufigste erbliche Erkrankung, betroffen sind vor allem Golden Retriever, Rottweiler, Neufundländer, Berner Sennenhund und Schäferhund. Die ersten klinischen Symptome treten im Alter von 4–8 Monaten auf. Obwohl häufig beide Gelenke betroffen sind, zeigt sich die Störung in der Regel auf nur einer Seite. Die Lahmheit ist in der Regel nur subtil ausgeprägt, pathognostisch kann die Adduktion des Ellbogengelenks sein, ein Ausweichverhalten, welches die extreme Streckung und Beugung des Ellbogengelenks verhindert. Nach Ruhe oder stärkerer Belastung ist die Lahmheit hochgradiger ausgeprägt. Häufig werden die Hunde auch erst im höheren Alter auffällig, dann ist das Gelenk schon stark arthrotisch verändert und der Bewegungsradius stark eingeschränkt (Reduktion des Beugungswinkels auf 30–40 %).

 

Ein diagnostischer Indikator ist die reproduzierbare Schmerzreaktion des Patienten bei mäßig gebeugtem Ellbogen durch die Drehung des Carpus nach außen bei fixiertem Ellbogen und / oder durch Druck auf die Ansatzstelle des Biceps medial. Die Röntgenuntersuchung ist obligat, ist diese nicht eindeutig, empfiehlt sich CT oder Arthroskopie.
Therapie: In vielen Fällen besteht die Therapie in einer Kombination von chirurgischem Eingriff und Medikamenten. Bemerkt werden muss, dass unabhängig von der chirurgischen Technik sich immer eine schwere Arthrose entwickelt. Es scheint durchaus gerechtfertigt zu sein, frühzeitig konservative Maßnahmen zu ergreifen und je nach Verlauf die chirurgische Intervention abzuwarten. Zu diesem Krankheitskomplex zählen 4 unterschiedliche Haupterkrankungen:

Ellbogeninkongruenz (EI)

Ulna und Radius entwickeln sich ungleich, eine mehr oder minder ausgeprägte Stufe entsteht, in der Bewegung entstehen Zonen erhöhten Drucks, so dass die folgend beschriebenen Krankheiten sich entwickeln können.

FCP (fragmentierter processus coronoideus)

Unter diesem Begriff werden alle Veränderungen des medialen Coronoids zusammengefasst, die letztendlich zu einer Fissurenbildung und /oder Fragmentierung führt.

OCD (Osteochondrosis dissicans) des medialen Condylus humeri

In der jungen Knochenentwicklung vereinigen sich aufgrund einer Knorpelstörung Knochen und Knorpel nicht.

IPA: isolierter Processus anconeus

Im Alter von 20 Wochen hat immer noch keine Union von Processus und Ulna stattgefunden. In diesem Fall ist die Chirurgie die Methode der Wahl. Der Processus kann sowohl fixiert als auch entfernt werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit der dynamischen Ulnaosteotomie. Im Allgemeinen werden die besten Erfolge bei Operationen unter 6 Monaten erzielt. Bei jungen Hunden wird der Erhalt des PA angestrebt.
Bei der Katze können wir die Degeneration des Ellbogengelenkes nach diesen Parametern nicht festlegen. Bis dato liegen keine Untersuchungen vor. Katzen leiden allerdings auch an Ellbogenarthrose, aber in der Regel wird sie erst beim älteren Tier diagnostiziert. Vorsorgeuntersuchungen, wie sie beim Rassehund teils vorgeschrieben sind, sind bei der Katze leider noch nicht üblich. Das wird sich sicherlich in Zukunft ändern.

Kniegelenk (Gonarthrose)

Bei Hunden mittleren Alters konzentrieren sich die degenerativen Gelenkerkrankungen hauptsächlich aufs Kniegelenk. In der Regel entwickelt sich eine Arthrose im Kniegelenk aufgrund traumatischer Kontussion oder eines Kreuzbandrisses. Leider verhindert die notwendige Kreuzbandoperation nicht die Arthroseentwicklung – unabhängig von der Operationsmethode.
Bei den großen Hunden erfolgt der Bandriss meist zwischen dem 5. – 7. Lebensjahr, bei den kleinen Rassen erst im höheren Alter (> 9 Jahre).
Bei den Katzen finden wir Kreuzbandschädigungen in der Regel als Folge eines schweren Traumas. Nur die großen Maincoonkatzen zeigen iatrogen Degeneration im Kniegelenk aufgrund ihres Körpergewichts.

Hüftgelenksdysplasie (HD)

Die HD gehört zu den häufigsten orthopädischen Erkrankungen bei Hund und Katze, klinische Bewegungsstörungen treten in der Regel erst im fortgeschrittenem Alter auf, obwohl die HD genetisch vorbestimmt ist. Allerdings können optimale Haltungs- und Ernährungsbedingungen die Arthroseentwicklung beeinflussen.
Bei der HD liegt eine ausgeprägte Laxität der Hüfte vor: Die minder ausgeprägte Pfanne hält den Femurkopf nicht in Position und erlaubt ihm im schlimmsten Fall nach dorsal zu luxieren. Jeder Schritt belastet das Gelenk unphysiologisch, sodass sich mit der Zeit eine schwere Arthrose entwickelt. Die Diagnose HD wird im ersten Lebensjahr mittels Röntgen festgestellt. Es gibt schwere Fälle der HD, bei denen schon der junge Hund vor Vollendung des ersten Lebensjahres episodisch Lahmheit zeigt, bzw. schwer aufsteht, widerwillig läuft und Treppen vermeidet. Statt Galopp zeigt der Hund das sog. Bunny hopping: beide Hinterläufe werden im Rennen gleichzeitig vorgeführt. Auffällig ist bei allen Hunden mit zunehmendem Alter die Gewichtsverlagerung auf die Vorhand und der kurzgreifende Schritt der Hinterhand. Zusätzlich ist der Hüftschwung stark ausgeprägt. Die Entlastung der Hinterhand führt zusätzlich zur Muskelatrophie der Oberschenkelmuskulatur. Die Hunde zeigen einen breit ausgeprägten Brustkorb und eine schmale Hinterhand. Je nach Schweregrad der Arthrose zeigen sich die ersten Beschwerden ab dem 5. Lebensjahr.
An chirurgischen Maßnahmen beim jungen Hund können eingesetzt werden: das künstliche Hüftgelenk (Endoprothese), die dreifache Beckenosteotomie (DBO), Femurkopf halsresektion (FKR). Die FKR ist eine gute Option für Hunde unter 20 kg, bei denen die arthrotischen Veränderungen schon sehr fortgeschritten sind.
Die DBO wird beim sehr jungen, noch wachsenden Hund durchgeführt. Als Komplikation treten Schraubenlockerung und verzögerte Heilung auf, eine weitere arthrotische Entwicklung des Gelenks ist nicht auszuschließen. Vorzuziehen ist die Totalendoprothese, die den Tieren in großem Maße zu Schmerzfreiheit verhilft. Beim älteren Tier sind wir auf konservative Maßnahmen angewiesen. Voraussetzung für ein erfolgreiches Vorgehen ist als erstes Idealgewicht.
Die Schulmedizin bietet die Behandlung mit Schmerzmitteln an. Erleichternd sind auf jeden Fall physikalische Therapien, welche die Beweglichkeit fördern. Chronische Schmerzen werden am besten mit Akupunktur behandelt. Die Goldakupunktur ist als prophylaktische und therapeutische Maßnahme eine weitere Option.

Spondylose

Unter Spondylose versteht man die Beeinträchtigung der Wirbelartikulation. Im Fall der Spondylose werden die elastischen Elemente (Bänder, Zwischenwirbelscheiben) der Wirbelsäule abgebaut und knöchernde Zubildungen (Enthesiophyten) entstehen. Die Umbauprozesse beginnen in der Regel an der Unterseite der Wirbel. Diese Spondylosen können sich erheblich ausdehnen und im Seitenbereich der Wirbelkörper bis in die Region der Nervenabgänge hineinreichen. Werden ganze Wirbelsäulenabschnitte durch eine massive Knochenbrücke starr miteinander verbunden, dann spricht man von Ankylose. Bei einer Spondylarthrose sind auch die kleinen Wirbelgelenke oberhalb der Nervenabgänge in das degenerative Geschehen einbezogen. Diese Verknöcherungen entstehen an den Stellen der stärksten Belastung. Im Prinzip ist das ein Selbstschutz des Körpers, denn an den versteiften Wirbeln können keine Einquetschungen der Nerven mehr erfolgen. Leider braucht dieser Prozess lang und in der Zwischenzeit können erhebliche Schmerzen mit partiellen Lähmungserscheinungen auftreten. Hier besteht immer akuter dringender Behandlungsbedarf. Werden die sensiblen Strukturen im letzten Lendenwirbel und Sacrum eingeengt, spricht man vom Cauda Equina Syndrom (CES).
Arthrotische Veränderungen sind von Tumorerkrankungen zu differenzieren. Jede Art der Verdickung eines Gelenks verlangt eine weiterführende Diagnostik. Häufig kann schon ein einfaches Röntgenbild Klarheit verschaffen und das Tier vor weiterem Leid bewahren.

Degenerative Gelenkerkrankungen bei der Katze

In der Vergangenheit wurden degenerative Erkrankungen bei der Katze deutlich unterschätzt, wenn nicht gar übersehen und ignoriert. Weil die Katze leicht und wendig ist, kann sie selbst schwere orthopädische Probleme kaschieren. Es lag ein großes Unverständnis zum Schmerzverhalten von Katzen vor. Im Gegensatz zum Hund signalisieren Katzen Gelenkschmerz selten nach außen. Klinische Lahmheitssymptome erleben wir nur bei akuten Traumata oder Kreuzbandriss, ansonsten leiden unsere Katzen still.
In einer Studie von Katzen mit einem starken osteoarthrotischen Befund zeigten nur 33 % klinische Lahmheitssymptome. Auffälligstes Symptom für Arthroseschmerz sind vielmehr Verhaltensänderungen, die allerdings sehr subtil sein können. Oft widersetzen die Katzen sich beim Handling oder entziehen sich den Zuwendungen durch ihre Besitzer, in der Regel werden sie nur ruhiger, ziehen sich zurück und schlafen mehr, grenzen ihren Aktionsradius ein, was aber selten wahrgenommen wird.

 

Leitsymptom von Schmerz ist bei der Katze Unauffälligkeit.

Gelenkveränderungen zeigen sich bei der Katze vorwiegend im höheren Alter – wir sprechen von einer Prävalenz von 90 %. Dabei sind genau wie beim Hund in erster Linie die Hüften betroffen, Katzen über 6 kg entwickeln eher eine Coxarthrose als kleinere Tiere.
Die zweithäufigste Gelenkerkrankung bei der Katze ist die Spondylose deformans der Wirbelsäule, dabei befinden sich die Veränderungen sowohl an den Brust- wie an den Lendenwirbeln. Arthrosen in Ellbogen- und Kniegelenken zeigen sich ebenfalls vermehrt mit zunehmendem Alter, allerdings ohne klinische Symptomatik.
All diese Untersuchungen zeigen, dass auch Katzen eine starke Tendenz zu osteoarthrotischen Veränderungen aufweisen und diese in Zukunft in den diagnostischen Untersuchungsgang mit einbezogen werden müssen. Die ältere Katze sollte genau wie der Hund routinemäßig geröngt werden. Die Besitzer sind diesbezüglich zu sensibilisieren, da sie Schmerzveränderungen bei ihren Tieren schwer wahrnehmen können. Gezielte Verhaltensfragebögen können ihnen helfen, Schmerzen bei ihren Katzen zu erkennen. Neoplasien des Skelettsystems sind bei der Katze eher selten. Primäre Osteosarkome zeigen sich im Bereich der Beckengliedmaße häufiger als in der Vorhand. Die häufigsten Lokalisationen sind distaler Femur, proximale Tibia und proximaler Humerus.

 

Zusammenfassung

Folgen der OA für den gesamten Bewegungsapparat

Die OA beschränkt sich leider nicht nur auf das ursprünglich „kranke“ Gelenk, sondern schädigt entlang der Bewegungsachse weitere Gelenke. Je größer die Gewichtsklasse, umso dramatischer sind die Folgen der OA auf die Lebensspanne des Tieres einzustufen. Auch Katzen entwickelt ähnlich wie der Hund mit zunehmendem Alter Folgearthrosen in ursächlich nicht betroffenen Gelenken. Dem Arthroseschmerz wird stets ausgewichen, indem das betroffene Gelenk geschont wird. Schmerzen in der Hinterhand führen zu einer vermehrten Gewichtsbelastung in den Ellbogengelenken, ursächlich dysplastische Gelenkveränderungen in einem Ellbogen hingegen zu einer Fehlbelastung des anderen Ellbogens sowie der kollateralen Hinterhand, insbesondere des Kniegelenks. Die überbelasteten Gelenke reagieren auf den mechanischen Stress genau wie das kranke Gelenk mit Synovialitis, Kapselverdickung, Knorpel- und Knochendeformationen, die bald auch im Röntgenbild nachweisbar sind. Zusätzlich werden durch die permanente Fehlbelastung die weiteren Stellgrößen des Bewegungsapparates wie Sehnen und Muskeln in das Krankheitsgeschehen mit einbezogen. Muskelverkürzungen und Muskelhartspann, Verspannungen und Verkalkungen der Sehnen aggravieren die Situation und vergrößern den Schmerzradius. Wir sprechen nun vom chronischen Schmerzpatienten.
Eigene Röntgenuntersuchungen an 400 Hunden mit degenerativen Gelenkerkrankungen haben ergeben,

  • dass 80 % der Hunde, die im Jugendalter nur eine Hüftgelenksdysplasie gezeigt haben, im Alter von 5 bis 7 Jahren zusätzlich eine Arthrose im Ellbogengelenk entwickelt haben,
  • dass 15 % der Hunde mit einer einseitigen Ellbogendysplasie im Alter arthrotische Veränderungen im anderen Ellbogen und kollateralem Knie bis hin zum Kreuzbandriss (8%) aufwiesen,
  • dass selbst bei solchen Hunden, die im Hauptröntgen HD- frei befunden wurden, und die nur eine Arthrose in der Vorhand zeigten (in der Regel im Ellbogen), sich die Femurköpfe durch die Fehlbelastung deformiert haben – auch sie zeigten im höherem Alter coxarthrotische Malformation.

Dabei ist es unbedeutend, ob sich die Arthrose aufgrund der Dysplasie oder eines chirurgischen Eingriffs (OCD-, FCP-Operation) entwickelt hat.

Therapie der Osteoarthrose

Wir sprechen heutzutage von einer multimodalen Schmerztherapie, bei der sich Schulmedizin und Regulationsmedizin sinnvoll ergänzen. Leider sind wir medizinisch immer noch auf dem Stand, dass eine OA nicht geheilt werden kann. Somit ist das wichtigste Ziel der Therapie, die Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit der Gelenke zu fördern.

Jede Beeinträchtigung der Biomechanik eines Gelenkes hat Folgen. Dazu gehören auch unsere Operationen. Jede Gelenkoperation – egal welche Methode eingesetzt wird – führt letztendlich zu einer Osteoarthrose. Die biomechanischen Stellgrößen der Gelenke sind zu sensibel, als dass sie eine Manipulation verzeihen. Deshalb lautet der oberste Grundsatz in der Orthopädie vor jeder Therapie: „never change a running system“.

Die Therapie beinhaltet diätetische Maßnahmen (Idealgewicht ist das Tor zum Erfolg), Medikamenteneinsatz, Therapien aus der Regulationsmedizin und, wenn unumgänglich, auch die chirurgische Intervention. Dazu stehen uns schulmedizinisch viele Medikamente, die lokal oder systemisch eingesetzt werden können, zur Verfügung. Die Medikamente reichen von Chondroprotektiva, Pflanzenpräparaten zum Schutz von Knorpel und Knochen über Schmerzmittel unterschiedlicher Stärke, die als Tabletten verabreicht werden können oder direkt ins Gelenk instilliert werden.
Da der chronische Schmerz von der Schulmedizin oft nicht ausreichend gelindert werden kann, sind zusätzlich Behandlungen mit Akupunktur, Goldakupunktur, Homöopathie, Physiotherapie und Osteopathie anzuraten. Mit Hilfe dieser Methoden kann häufig der Medikamenteneinsatz deutlich verringert und somit gefürchtete Nebenwirkungen reduziert werden. Eine Schmerztherapie verlangt immer eine kontinuierliche Betreuung der Patienten, die am besten von einer auf Schmerz spezialisierten Praxis durchgeführt wird.

Dr. M. Rogalla

Dieser Artikel erschien auch in der Zeitschrift: Leben mit Tieren 01-2016.
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