Zahnerkrankungen bei Nagern

Auch unsere Kleinsten können Zahnprobleme haben. Häufig werden Kaninchen oder andere Nager in der Praxis vorgestellt, weil sie nicht mehr richtig fressen oder Verdickungen am Kinn oder Hals haben. Manchmal ist der gesamte Maulbereich nass und entzündet.
Die kleinen Freunde haben abgenommen. Da ihr Futterschälchen immer gefüllt ist mit Heu, Gemüse, Salat und Körnern, fällt es immer erst sehr spät auf, dass die kleinen Nager nicht mehr richtig fressen.
Doch meistens tun sie das schon seit längerer Zeit, und zwar weil sie Zahnschmerzen haben.

Doch wie kommt es dazu?

Bei unseren Heimtieren wie Kaninchen, Meerschweinchen, Degu, Maus, Hamster, Ratte, Chinchilla wachsen die Schneidezähne ein Leben lang nach, bis zu 3 mm pro Woche. Durch ständige „Arbeit“ (mümmeln und knabbern) reiben sich die Zähne ab, so dass das Gebiß gesund bleibt.

Das ist möglich, weil die Nager im Gegensatz zu Hund und Katze, die Kiefer stark seitlich gegeneinander verschieben können. Man nennt das Schlittengelenk.
Das macht das Mümmeln aus, was Hund und Katze nun mal nicht zustande bringen!
Beim Kaninchen und beim Meerschweinchen, Chinchilla und Degu wachsen aber auch noch die Backenzähne ständig weiter.
Durch ständiges Mümmeln bleiben die Backenzahnoberflächen gerade und die oberen und unteren Schneidezähne bleiben gleich lang.

Stehen die Zähne aber nicht in einer korrekten Position zueinander, so entwickeln sich schwerwiegende Probleme, die sogar zum Tod Ihres Lieblings führen können.

Reiben sich die Schneidzähne (SZ) des Unterkiefers nicht richtig ab, so rollen sich die oberen Zähne nach innen und die unteren Zähne sprießen nach vorn.

Die unteren Backenzähne bekommen Zacken, die auf die Zunge zuwachsen und sie wie in einer Röhre einkeilen (sog.Brückenbildung).
Wird das nicht rechtzeitig bemerkt, und die Zunge nicht durch Abschleifen der Spitzen (Brücke) befreit, so kann diese gelähmt bleiben, dann wird das Tier auch nach korrekter Zahnbehandlung nicht mehr fressen und trinken können.

Die oberen Backenzähne wachsen nach außen in Richtung Wange und spießen sich dort ein, was zu sehr schmerzhaften Verletzungen und Entzündungen führt. Auch diese Zähne müssen wieder in Form geschliffen werden.

Diese Zahnbehandlungen erfolgen immer in Narkose mit Spezialzahnwerkzeugen für Nager, das entsprechend klein ist.

Manche Kaninchen haben eine angeborene Fehlstellung, der Oberkiefer ist zu kurz. Solche Tiere müssen natürlich regelmäßig vorgestellt werden, und die verformten Zähne können mit einer rotierenden kleinen Diamantscheibe korrigiert werden.
Das Abknipsen mit einer Zange ist nicht unbedingt anzuraten, da die kräftigen Schneidezähne leicht splittern und es dann bei Zahnfrakturen zu Wurzelentzündungen im Kiefer kommen kann. Solche Fälle sind zum Glück nicht häufig.

Häufigste Ursache für Zahnprobleme bei unseren ganz kleinen Lieblingen sind Fütterungsfehler.
Wildkaninchen kauen nur auf Gras, Heu und Pflanzensamen, unsere Heimtiere haben aber auch noch viele Leckerchen wie Joghurtdrops und oft viel zu viel Körnerfutter im Angebot.
Es muss unbedingt ausreichen Hartfutter zur Verfügung gestellt werden.
Dazu zählt getrocknetes, hartes Brot, frisches Heu, geschälte und abgebürstete Zweige von Obstbäumen, Weiden oder Buchen.
Das Verhältnis von Heu / Grünfutter zu Körner sollte max 2/3 zu 1/3 sein. Körner sind immer nur eine kleine Zugabe.

Gekauftes Fertigfutter ist viel zu energiereich, die Kleinen sind schnell satt und mümmeln nicht mehr. Die Tiere müssen sehr viel Heu und Frischfutter in Form von Obst, Gemüse und Kräuter erhalten und dürfen nur sehr wenig Körner fressen; ein Teelöffel / Tag reicht dem Meerschweinchen, ein Esslöffel dem kleinen Kaninchen.
Sind die Tiere zu schnell satt, trinken sie auch zu wenig, was dann wiederum zu Harngrieß oder Harnsteinen führen kann.

Meerschwein mit schief abgeriebenen Schneidezähnen

Werden die Zähne nicht gleichmäßig abgerieben, so entsteht Schiefstellung, beim Aufeinanderbeißen verkippen die Zähne gegeneinander. Auf Dauer führt das zu einer leichten Lockerung im Zahnfach und durch diese Spalten dringen dann Bakterien in den Kiefer.

Zähne mit Wurzelentzündung und Wurzeldeformation

Zahn mit anhängendem Abszess

Auf Dauer entstehen oft eitrige Zahnabszesse, die dann chirurgisch beseitigt werden müssen.

 

Leider entstehen manchmal trotz bester Behandlung nach einiger Zeit wieder neue Abszesse, die dann erneut behandelt werden müssen.

In der Regel fressen die Tiere nicht sofort nach einer Zahnsanierung. Dann müssen Sie unbedingt zwangsgefüttert werden. Da die Tiere nach den Eingriffen bei uns immer stationär bleiben, erfolgt es bei uns schon nach dem Aufwachen in der Praxis.
Es gibt inzwischen sehr gute Fertigfutter, mit denen das sehr leicht möglich ist, sodass sie bald wieder munter sind.

Zwei unzertrennliche Freunde

Gelingt es, die Zahnprobleme zu beheben, so können Sie noch lange Freude an Ihren Meerschweinchen oder Kaninchen haben.

 

Siehe auch: Wissenswertes: Kieferabszesse bei Nagern